Künstler_innen

Foto: Unité d’Habitation II , Marseille, 2013 © Margret Hoppe, VG Bild-Kunst, Bonn 2014
Foto: Unité d’Habitation II , Marseille, 2013 © Margret Hoppe, VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Margret Hoppe
Fotografie
*1981, lebt in Leipzig

Margret Hoppe fotografiert Architektur in ihrer Benutzung. Ihre Fotografien der Unités d’Habitation von Le Corbusier in Marseille und Berlin zeigen, wie es sich in einer Architekturikone wohnt und wie sie altert. Farbige Flächen, der Beton und klare Formen sind Merkmale der Architektur, die in den Fotos herausgestellt werden. Die Darstellungen sind allerdings nicht perfekt, sondern zeigen auch Risse, Abnutzungsspuren, scheinbar Unpassenden, das jedoch letztlich Zeichen eines Aneignungsprozesses durch die Bewohner_innen ist. Gleichzeitig reflektiert sie die Theorien, die dem Gebäude zugrunde liegen und ihm eingeschrieben sind. Sie verweisen zurück auf die Ursprünge des industriellen Bauens: Als Vorbild moderner Wohnscheiben in Großtafelbauweise formulierte Le Corbusier eine neue Typologie in Architektur und Wohnphilosophie. Dabei griff er auf Vorbilder, wie etwa die Kollektivhäuser der russischen Avantgarde-Architekten zurück. Es sind Ideen, die in den großen Wohnkomplexen und Wohnmaschinen der DDR ihren Höhepunkt erlebten – im sozialen Anspruch, aber auch in der Rationalisierung der Bauweise und der ortsungebundenen Wiederholung der Gebäude.
Margret Hoppes Arbeiten wurden unter anderem mit dem Beispiel mit dem Förderpreis der Wüstenrot-Stiftung und den Preis der Sachsen Bank, und sind vertreten in den Sammlungen des Fotomuseums Winterthur, Schweiz, der Fotografischen Sammlung Museum Folkwang, Essen, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und dem Wende Museum Los Angeles, USA. Einzel- und Gruppenausstellungen hatte sie u. a. in Marseilles La Friche la Belle de Mai, dem Goethe-Institut Lyon, dem Museum der Bildenden Künste Leipzig und dem Museum für Angewandte Kunst Köln.

 

Foto: Laurent Kronental, Souvenir d'un Futur
Foto: Laurent Kronental, Souvenir d’un Futur

Laurent Kronental
Fotografie
* 1987, lebt in Courbevoie

Seit vier Jahren besucht und fotografiert Laurent Kronental französische Vororte. In der Serie „Souvenir d’un futur“ zeigt er großformatige Aufnahmen der Siedlungen, errichtet zur Zeit der Trentes Glorieuses, als auch Architektur und Städtebau in Frankreich einen Höhepunkt erlebten. Die Siedlungen an den Rändern der Städte waren Stein gewordene Utopien und sollten das Leben der Bewohner nachhaltig verbessern. Teilweise schon in der Erbauerzeit wurden die Großwohnsiedlungen als Symbol einer verfehlten Stadtplanung wahrgenommen. In Frankreich setzte sich der Begriff „Banlieue“ durch, was wörtlich übersetzt „Bannmeile“ bedeutet: Architektur wurde hier vom Verkünder eines modernen Morgens zum Stigma einer Gesellschaft umgedeutet.
Laurent Kronentals Bilder zeigen eine andere Perspektive: In frühmorgendlichen und surreal mystischem Licht sind sie so monumental und so großartig, wie sie wahrscheinlich auch von den Erbauern erträumt waren – was im merkwürdigen Gegensatz zum sozialen Gedanken ihrer Errichtung steht. Die Bauten sind Träger von Erinnerungen ihrer Bewohner, die Kronental portraitiert. Sie sind zur Zeit des Siedlungsbaus eingezogen und mit der Architektur gealtert. Teils in Nahaufnahmen, teils winzig klein auf Treppenabsätzen und Balkonen werden sie beinahe verschluckt vom großartigen Setting. Wie in einem Filmstill eingefroren vor dem Prospekt der Bauten scheinen auch sie sich an die Zeit einer möglichen Zukunft zu erinnern.

Ginan Seidl, Ray Peter Maletzki, Installationsansicht
Foto: Ginan Seidl, Ray Peter Maletzki, Stadt aus Silber, Installationsansicht

Ginan Seidl und Ray Peter Maletzki
Video
*1984, lebt in Halle/Saale

Die Frage, wie Bewohner_innen ihren Wohnraum individualisieren, untersucht die Videoinstallation von Ginan Seidl und Ray Peter Maletzki. Zur Recherche für ihren Experimentalfilm „Silberhöhe“, mit dem Ginan Seidl ihr Studium an der Burg Giebichenstein, Halle, abschloss, bezog sie eine Wohnung in einem Plattenbau des Wohnungsbauserie (WBS) 70, in denen oftmals Platz für genau eine Kombinationsmöglichkeit aus Bett, Tisch, Stühlen und Wandschrank bestand. In einer surreal wirkenden Szenerie zeigt sie Praktiken der Aneignung dieser Räume und kombiniert diese Szenen mit Erkundungsgängen in einer der großen Stadtneuplanungen der DDR.
Ginan Seidl hat an Festivals teilgenommen (unter anderem Werkleitz, 63. Berlinale, Transitio Festival, Gunajuato International Film Festival, LUFF (Lausanne)), gewann mehrere Kunstpreise und hatte Residenzaufenthalte in Istanbul und Mexiko. Sie und Ray Peter Maltetzki sind Teil des Filmkollektivs Rosenpictures.

„Stadt aus Silber“ wurde unterstützt von der Kunststiftung Sachsen-Anhalt

 

Andrea Pichl_Archiv
Foto: Andrea Pichl

Andrea Pichl
Installation
*1964, lebt in Berlin

Die Installation „recurrere“ (lat. für zurückkommen, wiederkehren) widmet sich wiederkehrenden gleichen Formen, der Kultivierung des Seriellen und Repetitiven, der Vereinfachung und Homogenisierung – die Wiederholung wird wiederholt. Im Fokus stehen die Eigenheime in Montagebauweise aus Modulen der 16-geschossigen Punkthochhäuser (PH 16) von 1985 bis 1987 in Leipzig-Grünau, der fiktive Umbau von 1- bis 4-Raum-Wohnungen der Wohnungsbauserie WBS 70 in Mehrfamilienhäuser sowie Phänomene in Szczecin oder Potsdam – eingebunden in eine aktuelle IKEA-Serie.
Die architektonischen Modelle und Stadtpläne der klassischen Moderne und der Nachkriegsmoderne bilden die Referenzpunkte für die Kunst von Andrea Pichl. Ihre Forschungen umfassen öffentliche und private Räume in sozialistischen wie westeuropäischen Ländern. Dabei hinterfragt sie die modernistische Utopie, die ihren spezifischen Ausdruck in sozialistischen Stadt- und Siedlungsentwicklungen gefunden hat. Ihre Arbeiten fokussieren die imperfekten, dissonanten Architekturelemente, die dekorativen Details und Risse in der urbanen Struktur. Ihre Arbeit ist genau jenen Situationen im städtischen Raum gewidmet, in denen verschiedene architektonische und soziale Systeme kollidieren.
Andrea Pichl stellte unter anderem in der Krome Gallery Luxembourg (2015), im Kunstmuseum Moritzburg, Halle (Kat., 2014), im M HKA, Museum for Contemporary Art, Antwerpen und im Hamburger Bahnhof, Berlin (Gruppenausstellung, 2011) aus.

Anne-Valérie Gasc, Videostill, Crash Box – Decazeville
Anne-Valérie Gasc, Videostill, Crash Box – Decazeville

Anne-Valérie Gasc
Video
* 1975, lebt in Marseille

Die Künstlerin beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit der Rezeption einer Architektur, die einst ein besseres Morgen verhieß und dieses Versprechen in der Realität nicht einlösen konnte. Ihre Crash Boxes sind signal-orange eingefärbte Traktorreifen, die in französischen Wohnhochhäusern deponiert werden, die zur Sprengung bestimmt sind. Die darin befindliche Kamera zeichnet den gewaltvollen Akt gegenüber der nutzlos gewordenen Architektur auf und speichert ihn auf ihrer SD-Card. Anschließend werden die Crash Boxes aus den Trümmern geborgen und können, ähnlich einem Flugschreiber, von der Zerstörung berichten. Das Dokumentieren der Sprengungen erfolgt von innen, aus dem Gebäudebauch heraus – die Spiegelung einer berühmten historischen Zerstörungsdokumentation: Im Jahr 1972 wurde im US-amerikanischen St. Louis, Missouri, das soziale Wohnbauprojekt Pruitt-Igoe gesprengt. Der Vorgang wurde von Kameras aufgezeichnet, durch das Fernsehen verbreitet und dadurch einem Massenpublikum zugänglich gemacht. Pruitt-Igoe gilt seither als Ikone und Symbol einer Moderne, deren stadtplanerische und architekonischen Lehren als gescheitert angesehen werden.

Anne-Valérie Gasc war in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten, darunter zuletzt in der Gruppenschau „Artistes et Architecture – Dimensions variables“ im Pavillon de l’Arsenal, Paris. Ihre Arbeiten sind in verschiedenen Sammlungen vertreten, etwa im MACBA, Barcelona, dem französischen FRAC PACA, der Artothèque de Lyon und der Sammlung der Stadt Vénissieux.